Drucken

OddsANRDer norwegische Knuddelklub Odds BK gegen die unbesiegbar scheinenden Borussen 2.0: Was auf dem Papier noch eher exotisch als spannend geklungen hat, entwickelte sich zu einem denkwürdigen Nervenkitzel. Gerade noch rechtzeitig fand der BVB zurück in die Partie.

Die oft und viel gescholtene Europa League bietet den reiselustigen BVB-Fans schon in der Qualifikation eine Menge Abwechslung. Nach dem Traumlos WAC ging die Reise in der Play-off-Runde nun in das kleine Städtchen Skien, drei Zugstunden von Oslo entfernt. Gegner war der norwegische Rekordpokalsieger Odds BK. Auch das dritte EL-Match ging nicht ohne Beteiligung der BVB Supporters Austria über die Bühne. Eine rotweißrote Ein-Mann-Delegation begleitete die Borussia nach Skandinavien.

Von Wien aus ging die Reise zunächst nach Oslo, um den Vortag noch für etwas Sightseeing zu nutzen. Wer sich von den extrem hohen Preisen für Essen, Getränke und Unterkunft nicht abschrecken lässt, kann eine ungemein sympathische und gemütliche Stadt kennenlernen.

Odds1909A propos sympathisch: Vor allem über ihren Twitter-Account ließen die Verantwortlichen von Odds BK keine Gelegenheit aus, Demut vor dem übermächtig scheinenden Gegner zu zeigen. Auf herzerfrischende und humorvolle Weise streute man der Borussia Blumen und holte sich Tipps vom schlussendlich doch deutlich unterlegenen Vorrundengegner WAC. Wie sich am Spieltag aber zeigen sollte, ließ sich die Tuchel-Mannschaft wohl auch davon etwas zu sehr einlullen. Schon nach gut 20 Minuten stand es 3:0 – aber nicht für den großen Favoriten in schwarzgelb, sondern für den ach so herzigen Klub, der neben Social Media eben auch Fußball beherrscht.

Dabei hatte es bis dahin ganz gut ausgesehen. Nach der Ankunft im recht unspektakulären Städtchen Skien fand sich die schwarzgelbe Fanschar bei prächtigstem Wetter rund um das kleine, aber nette Odds-Stadion ein. Direkt neben dem Gästeeingang konnte man sich bei einem Spar-Markt noch Erfrischungen besorgen und die generell sehr gelassen wirkende Exekutive sah auch großzügig über das theoretisch bestehende Verbot, Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken, hinweg. So konnte man sich bei herrlichem Sonnenschein gemütlich auf das Spiel einstimmen und sich fragen, welche Wette ein Fan verloren haben musste, der in kompletter FCB-Montur auftrat und dazu einen BVB-Schal trug.

OddsGaesteDie freundlichen Gastgeber hatten an die Dortmunder Fans gleich dreimal so viele Tickets ausgegeben, als sie eigentlich müssten. Daher zeigte sich im Gästesektor eine veritable „Gelbe Wand“ im XXS-Format, die auch einiges an Lautstärke mitgebracht hatte. Daran konnte auch das merkwürdige „Vorprogramm“ aus 80er-Jahre-Hitvideos und surreal wirkenden Youtube-Hoppala-Videos nichts ändern – auch das ist eben Europa League.

Die Heimfans hatten eine kleine Choreographie unter dem Titel „This continent isn’t big enough for the both of us“ vorbereitet – da schmunzelten die meisten Schwarzgelben noch. Doch schon nach wenigen Sekunden stand es plötzlich 1:0 für die Norweger. Der Gästesektor fühlte sich unvermittelt in die schlimmsten Zeiten der Saison 14/15 zurückversetzt. Die neu formierte Abwehr mit Rechtsverteidiger Castro und Innenverteidiger Ginter wirkte, als hätte sich die VHS-Neigungsgruppe Fußball gerade im Park zum Üben getroffen. Entsprechend ungehindert konnte Ex-Fürther Olivier Occean in der 20. Minute ein Solo zum 2:0 abschließen. Als fast unmittelbar danach Torwart Roman Weidenfeller auch noch bei einem Freistoß furchtbar patzte, fragten sich doch einige, ob die Norweger im Gästesektor nicht Wasser mit LSD ausschenken.

OddsChoreoVom BVB, der wenige Tage zuvor noch Gladbach mit 4:0 weggeputzt hatte, war bis dahin nicht viel zu sehen gewesen. Ein Aluminiumtreffer von Kagawa war schon das höchste der Gefühle. Dennoch gehörte der Fremdschämpreis an diesem Abend nicht der Mannschaft, sondern denjenigen Menschen in schwarzgelb, die sich nicht entblödeten, das eher ältere und familienlastige Publikum der Odds-Sitzplatzheimkurve mit obszönen und gewalttätigen Gesten zu behelligen. Ganz großes Kino…

Doch nach dem 0:3 wachte der BVB endlich auf. Nach einem Torwartfehler auf der anderen Seite konnte Aubameyang noch vor der Pause auf 1:3 verkürzen und die Hoffnung war zurück im zwischenzeitlich doch recht konsternierten Gästeblock. Nach der Pause zeigte sich endlich das Bild, das man von diesem Spiel erwarten durfte. Die Borussia brachte ihre Überlegenheit nun auf den ungewohnten Kunstrasen und schaffte gleich nach Wiederanpfiff den Anschlusstreffer durch Kagawa. Im nun folgenden Sturmlauf brachte es Dortmund nun nicht nur fertig, das Spiel durch Tore von Aubameyang und Mkhitaryan zu drehen. Am Ende schien der 4:3-Sieg sogar noch deutlich zu niedrig angesichts vieler weiterer guter Chancen und insgesamt vier Pfostentreffern. Im Gästeblock überwog jedenfalls die Erleichterung, doch noch eine gute Ausgangslage erreicht zu haben. Dazu kam die Freude über ein wieder einmal denkwürdiges Spiel wie damals beim 4:3 gegen Agdam – ein langweilig heruntergespieltes 3:0 ist offenbar keine Option für den BVB. Man darf nur hoffen, dass das glimpfliche Ende unseren Jungs wieder die Sinne geschärft hat für die Tatsache, dass es mit 90 Prozent auch gegen vermeintlich Underdogs nicht reichen wird.