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Die erste große Ausfahrt und schon ein Spiel und eine Meisterfeier, wie man sie sich als BVB-Fan nicht schöner erträumen könnte. Doch von Anfang an: Die volle Anzahl an Karten hatte uns der Ballspielverein für das Heimspiel gegen Nürnberg am 32. Spieltag zugeteilt – zum ersten Mal seit Bestehen des Fanklubs. 

meisterVor der Abfahrt war die Anspannung groß. Nach dem überraschenden und unglücklichen 0:1 gegen die Ponys betrug der Vorsprung auf Leverkusen fünf Punkte und allerorten wurde dem BVB schon das große Nervenflattern angedichtet.

Ein paar kleine Spuren dürfte das mediale Dauerfeuer aber doch hinterlassen haben, einige Mitglieder sollen angeblich in der Nacht vor der Abreise am 30. April kein Auge zugemacht haben. Aber Zeit zum Schlafen gab es ohnehin kaum: schon um vier Uhr morgens ging es mit zwei vollbesetzten Autos in Ried los. Die sechsstündige Fahrtzeit bot genügend Möglichkeiten für Diskussionen: Würde die Borussia wirklich noch das Zittern bekommen? Und wie viele Biere passen eigentlich noch rein? Auf einer Raststation im Sauerland gab es das erste Zusammentreffen mit Nürnberg-Fans. Trotz der Fanfreundschaft mit einem blauen Vorortverein blieben die Franken freundlich: Die teilweise 1000 Kilometer lange Auswärtsfahrt nötigte dem einen oder anderen sogar großen Respekt ab.

StadionAls endlich das schönste Stadion der Welt vor uns auftauchte, war die Vorfreude kaum noch zu zügeln – nur noch viereinhalb Stunden bis zum Anpfiff. Der Besuch im Fanshop dauerte nur wenige Minuten, angesichts der meterlangen Schlagen vor den Kassen kümmerten wir uns lieber um die Verpflegung. Gestärkt und mit neuen Vorräten ging es ab ins Hotel, mehr als eine kurze Pause gab es aber nicht. Schon war es Zeit zum Abmarsch. Überall auf dem Weg zur S-Bahn waren nur schwarzgelbe Fahnen zu sehen, die ganze Stadt hatte sich für den Meisterschaftsendspurt herausgeputzt und aus den Fenstern wurden wir von allen möglichen Leuten aufgefordert, ja ordentlich Stimmung im Stadion zu machen.

Erst wenige Minuten vor dem Anpfiff fand sich die erste Gruppe auf den Plätzen auf der Südwesttribüne ein – die Einlassprozedur hatte schier endlose 30 Minuten gedauert und war überhaupt nur durch eine geschickt gewählte Abkürzung und am Ende resignierendes Sicherheitspersonal rechtzeitig zu absolvieren. Die andere Gruppe kam sogar noch später ins Westfalenstadion, aber was soll man machen, wenn die Karte noch im Hotel liegt und so ein kleiner Umweg fällig ist?

Auch im Spiel unseres BVB war eine große Nervosität zu erkennen. Nuri Sahin wurde schmerzlich vermisst und der „Glubb“ war immerhin kein Jausengegner. Bis zum Trip nach Dortmund kassierten die Franken nur fünf Gegentore und durften so immer noch auf den Europa League-Platz hoffen. Schon nach wenigen Minuten wurden auf der Tribüne die ersten Smartphones gezückt. Was machen die Pillen in Köln? Dass Leverkusen sein Derby nicht gewinnen würde, damit rechneten nur die kühnsten Optimisten. Aber dennoch, ein kleiner Seitenblick konnte ja nicht schaden.

spielEs war 16.03 Uhr, als das ehrwürdige Westfalenstadion zum ersten Mal an diesem Tag explodierte: Einen Götze-Schuss konnte „Glubb“-Torwart Schäfer nicht festhalten, „Panther“ Barrios staubte ab und jubelnd lagen wir uns in den Armen – dazwischen tauchten ab und zu ein paar fremde Gesichter auf, aber in der Euphorie gab es keine Fremden mehr. Unglaublich viel Druck fiel von uns allen ab – und auch von den Helden auf dem Rasen. Plötzlich hatte der BVB das Spiel voll im Griff und nur elf Minuten später zeigte Lewandowski mit einem feinen Heber, über welche Torjägerqualitäten er verfügt. 2:0! Aus der Südwesttribüne wurde ab diesem Zeitpunkt ein weiterer Stehplatzsektor.

Am Sieg gegen Nürnberg gab es ab diesem Zeitpunkt kaum noch Zweifel, zu dominant spielten die schwarzgelben Jungs. Doch am Sieg der Leverkusener ja auch nicht, obwohl es zur Halbzeit in Köln immer noch 0:0 stand. Im Moment war der BVB Deutscher Fußballmeister. Aber die Pillen hatten in dieser Saison oft noch späte und/oder glückliche Tore erzielt, Hoffnungen wollte sich noch keiner machen.

In der zweiten Halbzeit war der Blick dann nur noch auf Köln gerichtet: Im Westfalenstadion schien die Partie gelaufen, der BVB kontrollierte das Spiel, den Nürnbergern fiel nichts ein. Obwohl das Funknetz längst wegen Überlastung kapituliert hatte, bemühten sich viele immer noch, den Zwischenstand aus Köln in Erfahrung zu bringen – vergeblich. Und daher kamen wir um 16.54 Uhr in den Genuss dieses einmaligen Erlebnisses, das es nur bei diesen Spielen gibt. Plötzlich wurde es überall im Stadion unruhig, in Wellen breitete sich der Jubel aus. Es wird doch nicht … Und endlich die Erlösung durch Nobby Dickel: „1:0 für Köln!“. Was in den folgenden Minuten geschah, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Ein kollektiver emotionaler Ausnahmezustand wurde im Westfalenstadion ausgerufen. Nur langsam kehrte die Vernunft zurück: „Kann Leverkusen noch zwei Tore machen?“ Gegen St. Pauli hatten die Pillen ja gezeigt, dass sie Spiele auch spät noch drehen können. Die Sekunden verrannen wie Stunden, jede Minute, in der es nichts Neues aus Köln zu melden gab, wurde innerlich gefeiert. Und um 17.10 Uhr begann die Ekstase: „2:0 für Köln! Ja! Ja! Ja!“ brüllte der beste Stadionsprecher der Welt ins Mikrofon. Jetzt war klar: Der BVB wird Meister! Hier! Heute! Und wir sind dabei! Wir sind Teil der Geschichte!

Der Schlusspfiff, die Freudenfeiern auf dem Rasen und auf der Tribüne – all das erlebten wir nur noch wie im Rausch. Allerdings weniger in einem alkoholbedingten, sondern eher in Ekstase. Mit einigen Bieren stärkten wir uns erst danach noch im Stadion, die Frage nach dem neuen Deutschen Meister samt dazugehöriger Antwort wurde dutzendfach herausgebrüllt. Wer Blaue unter seinen Freunden hatte, rief diese kurz an, um auch den Schalenlosen einen Eindruck von dem zu geben, was eine Meisterfeier ist.
kreuzviertelAuf dem Weg zurück in die Stadt herrschte bereits überall der Ausnahmezustand. Im Kreuzviertel gehörte die Straße nur noch den feiernden Fans und erlebte eine Stimmung wie man sie nur in Südamerika für möglich gehalten hatte. Erst bei Einbruch der Dämmerung ging es weiter in Richtung Innenstadt, wo allerhand neue Kontakte geknüpft wurden. Dass BVB-Fans den Weg aus Österreich hierher gemacht hatten, stieß vielerorts auf ehrlichen Respekt. Und während die Abenteurer die Nacht im „View“ erst beginnen ließen, zogen sich die völlig Erschöpften zurück und schwelgten noch lange in den Bildern, die in die Geschichte des Ballspielvereins eingegangen sind.

Geschrieben von Sascha
Kategorie: Ausfahrten
Veröffentlicht: 12. Juli 2011
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